Fragt man verschiedene Leute nach „Europas guten Seiten“, bekommt man ein riesiges Mischmasch an Antworten. Manche verrückter als die anderen … was ich damit sagen will werdet ihr gleich lesen. So viel vorweg: Umfragen lohnen sich definitiv!
Eine Fragerecherche von Ilayda
Für mich war Europa einfach nur ein Kontinent. Ein geographisches Bild. Eine 24,1 Millionen Quadratkilometer große Fläche, in der 28 verschiedene Länder einen Bund gegründet hatten. Mehr nicht. Keine Verbundenheit und keine weiteren Gedanken, die ich mir zu diesem Thema machte.
Und ich bin mir sicher, dass es vielen anderen Leuten da draußen genauso geht. Aber es sind doch nicht alle, was ich später bei einer kurzen Befragung für meinen Wahlpflichtunterricht herausfand.
Europa: Praktischer Schutz vor Verwandten
„Europa hält mir die Großfamilie vom Hals“,
sagte das schwarzhaarige Mädchen, das ich in einem Dalton-Unterrichtsraum aufgegabelt hatte. Ich war froh, dass sie die erste Befragte war, die nicht mit einem einfachen, „Europa ist ein Kontinent“, antwortete. Auch, wenn diese Antwort ebenso von mir hätte kommen können.
„Und das bedeutet?“, bohrte ich nach, obwohl ich die Antwort insgeheim schon wusste. Dennoch wollte ich sie aus ihrem Munde hören. „Na, die kommen von Asien hier nicht so einfach rein. Zum Glück – sonst könnten wir uns vor monatelangem Besuch nicht retten“, führte sie aus und lachte.
Sie meinte wohl das Schengen Visum. Ich weiß, es ist eigentlich nicht witzig und ich weiß auch, dass es insbesondere gemein für den Besuch oder genauer gesagt – ihre Verwandten – klingen muss. Doch ich musste mitlachen, denn in gewisser Weise sprach sie etwas aus, das niemand mit ebenso großer Familie so direkt preisgab.
Ich wollte gar nicht wissen, wie viele Leute sich noch daran erfreuten, dass Nicht-Europäerinnen und -Europäer es nicht so leicht mit der Einreise in die EU haben. Um das zu tun, brauchen sie nämlich eine Einreiseerlaubnis – kurz „Visum“. Um dieses Papier zu bekommen, muss man nicht nur einen Antrag stellen und auch noch Gebühren zahlen. Nein, man muss auch bestimmte Voraussetzungen erfüllen, wie zum Beispiel einen Einkommens- bzw. Vermögensnachweis. Wem das schon zu viel ist oder nicht über diese Nachweise verfügt, sollte noch bedenken, dass die Bestätigung für den Antrag nicht einfach so dahin geflogen kommt. Der ganze Prozess dauert – je nach gewünschter Aufenthaltszeit in einem EU-Land.
Vielen Leuten ist das alles einfach zu viel Aufwand oder in irgendeiner Weise nicht möglich, sodass sie lieber zweimal darüber nachdenken, ob sie die EU wirklich besuchen wollen.
Das Visum kann also praktisch sein, wenn man nicht mit ständigen und in dem Fall langen Besuchen von der Großfamilie kämpfen will. Aber das Visum allein wäre für mich jetzt nicht etwas, was Europa von den anderen Kontinenten unterscheidet oder besser macht.
„Was will man noch?“
Deshalb fragte ich ganz klassisch eine meiner Lehrerinnen, was denn ihrer Meinung nach gut an Europa war. Am Ende zählte sie so viele Dinge auf, dass ich die Hälfte wieder vergessen hatte. Hin und wieder nickte ich, als würde ich all das schon wissen (was ich übrigens nicht tat, aber das brauchte sie ja nicht zu wissen).
„Gerade für euch jungen Leute bietet Europa Chancen. Problemloses Studieren in europäischen Ländern, keine Zölle und auch überwiegend keine Grenzkontrollen. Was will man noch?“
Unbeholfen lächelte ich und zuckte mit den Schultern. Ja, genau, was wollte man noch? Das konnte ich ja prima den nächsten fragen, denn ich hatte keine Antwort darauf.
Tschüss Europa, hallo Amerika?
Und die nächste war eine meiner Freundinnen.
„Europa? Keine Ahnung. Aber es ist mir sowieso nicht so wichtig, da ich Europa verlassen will, wenn ich erwachsen bin. Ich werde nach Amerika fliegen“,
kam es gleichgültig über ihre Lippen, bevor sie sich wieder ihren Aufgaben widmete.
Verlassen. Europa verlassen, um nach Amerika zu fliegen. Ehrlich gesagt wundert mich die Antwort weder, noch schockt sie mich. Denn vor einem Jahr hätte ich wahrscheinlich so ziemlich dasselbe gesagt. Aber hey, dann fand ich raus, wie viel Aufwand, Stress, Geld und gute Englischkenntnisse man dafür braucht. Und ach ja, da wäre noch die
Jobsuche in einem fremden Land, der ewig lange Flug und und und. Kurzum: Ich glaube Europa wird mich noch lange bei sich haben.
Aber nach dieser Fragerei nach „Europas guten Seiten“ kamen doch mehr Gründe dazu, warum ich Europa nicht so einfach verlassen will. Denn so schlecht scheint Europa nun wirklich nicht zu sein.
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