Ein Beitrag von Marlene Merbach und Jara Dornbruch
Was ist eigentlich aus Euch geworden? Wer waren die „Gesichter“, die die ADO, oder vielleicht sogar durch die ADO geprägt worden sind? Dies fragte sich in diesem Schuljahr der Enrichmentkurs 9/10, in dem jeweils zwei Schüler*innen einen ehemaligen ADOler interviewten und portraitierten. Es haben sich ca. 40 Ehemalige auf unsere Suchanzeigen in Zeitungen und in den Sozialen Medien gemeldet, die zwischen 1977 und 2008 an der ADO ihr Abitur gemacht hatten. Wir wollten ganz genau wissen, was für Menschen an der ADO waren. Und ob die ADO diese Menschen berührt und beeinflusst hat – oder auch nicht. Hat die ADO einen Unterschied in ihrem Leben gemacht? Aus den 23 Interviews, die der Kurs geführt hat, sind am Ende 15 Portraits entstanden. Aber lest selbst!
Neuköllner durch und durch – „Ich fand Neukölln schon immer hip!“
Portrait über Marco Peschke (Abitur 1997), von Marlene Merbach
Der frische Frühlingswind pfeift, die Sonne scheint und wirft einen Schatten auf den rauen Betonboden. Die Silhouette einer Person bewegt sich langsam vorwärts, die Silbersteinstraße entlang. Marco Peschke biegt um die Ecke, sieht das Neuköllner Tor zu seiner Rechten, den Denns BioMarkt zu seiner Linken. Damals, erinnert er sich, war dies noch ein Aldi. Schon immer geht er diesen Weg und kann deshalb auch ohne nachzudenken, um die Ecke in die Emser Straße biegen. Vor ihm liegt die Albrecht-Dürer-Oberschule – das Efeu rankt sich am alten, grauen Gebäude empor und die große Tür ist umgeben von einem Mosaik. Unbekannt ist ihm dies nicht. Nicht nur, weil er früher jeden Tag hier herein-, aber auch wieder herausgekommen ist, sondern weil Marco Peschke, Vater von vier Kindern, seine drei ältesten hier über Jahre hingebracht und abgeholt hat: „Gefühlt war ich nie weg.“ Dennoch beantwortet er die Frage nach Veränderungen mit: „die Nummerierung ist anders […] und das, wo jetzt das Café ist […] das war der Milchverkauf“, von engagierten Lehrer*innen gestartet. Bis auf diese Kleinigkeiten bemerkt Peschke keine großen Änderungen seit seinem Abitur im Jahre 1997. „Sogar der Geruch ist gleich!“ Schnell geht er die Treppen hinauf, durch die Eingangstür und hoch in den dritten Stock, vorbei am Klassenzimmer seines Sohnes.
Horrorjahre in Witboy-Hosen
Marco Peschke, ein ruhiger, selbstsicherer Mann. Geboren 1977, kam nach seiner Grundschulzeit in der Silbersteinschule 1991 an das Albrecht-Dürer-Gymnasium. Nicht gerne blickt Peschke auf die Schulzeit in der 7. und 8. Klasse zurück. „Das war schon ein harter Tobak.“ Damals war die Schule strenger, es war „knallhart“, vor allem nach der „Singen-und-Klatschen-Atmosphäre“ der Grundschule. Nach dem Probehalbjahr mussten acht Schüler*innen die Schule verlassen, es wurde regelrecht „ausgesiebt“. Der Druck war groß, nicht nur schulisch, auch Mobbing herrschte damals in seiner Klasse. Markenware war entscheidend: Schuhe, Hosen von Witboy, darauf wurde sehr geachtet und führte zum Ausschluss von Mitschüler*innen. Er schüttelt sich, während er sich die Schüler*innen in diesen Hosen vorstellt. „Es war so oberflächlich“, sagt Peschke, während der Computer ein lautes Geräusch von sich gibt, dennoch redet er unbeirrt weiter, vertieft in seinen Rückblick auf die „Horrorjahre“. Auch heute kann er daraus etwas mitnehmen: Als Anzeichen von Mobbing in der damaligem Klasse seines ältesten Sohnes auftraten, konnte er sofort eingreifen, um ihn vor diesen besagten Jahren und daraus eventuell folgenden vermehrten Fehlstunden zu schützen. „Als Siebtklässler weiß man überhaupt nicht, was man hier macht […] Dann gibt es die pubertäre Phase, da ist alles interessant und nichts, also von der 8. bis zur 10. Klasse […] und dann ab der 11. Klasse war es richtig cool!“, fasst er die Schulzeit zusammen.
„Man muss die schlechten Dinge miterleben, um die Guten schätzen zu können“
Denn Peschke schwelgt in vielen positiven Erinnerungen. Ruhig erzählt er von der Zeit ab der 9. Klasse: die Noten wurden besser, die Klasse vernünftiger. Letztendlich macht die Schule nicht die Schule aus, sondern das Umfeld, die Freunde, die Lehrer und Erfahrungen, deutet er an. Begeistert erzählt Peschke von den Musikabenden, sein Blick schweift zum Fenster, wobei seine hellblauen Augen leuchten, während er davon erzählt. Man kann ihm anmerken, wie er diese Zeit genossen hat, auch wenn er sehr bedacht von diesen „Freundetreffen“ erzählt.
Bei der Frage nach weiteren positiven Erinnerungen an die Schulzeit fällt ihm sofort ein Lehrer ein: Herr Jerosch. Der Physiklehrer, der eine Leidenschaft für sein Fach mitbrachte, welche alle mitriss. Er bereitete tagelang Experimente vor – bis heute kann Peschke sämtliche physikalischen Formeln und Gesetze, die er schnell aufsagt. Der Leistungskurs traf sich sogar bei Herrn Jerosch zu Hause. „Wieso? Er war auch nur ein Mensch“, entgegnete er auf die Frage, als ob ihn dies wunderte. Auch das hat Peschke von ihm mitgenommen: „Ein Lehrer hat genauso Probleme wie jeder andere.“ Das ist ein Thema, welches immer wieder in seinen Erinnerungen auftaucht: Bezüge und Stabilität im Leben. Herr Jerosch war ein Teil davon, aber auch Freundschaften unter der gesamten Schülerschaft oder sogar mit Lehrer*innen, über Altersgrenzen hinweg. So war er zum Beispiel mit seinem langjährigen Klassenlehrer bei einem Hertha-Spiel. Die klassenübergreifenden Enrichment-Kurse findet er richtig gut, bemerkt er danach auch noch. Solche Verbindungen „nach unten und nach oben“, hält er für wichtig.
Auf Umwegen zum Ziel
Nach seinem Abschluss wollte Peschke, zusammen mit einem guten Freund, zunächst Politikwissenschaften studieren, wurde allerdings nicht angenommen. Auf die Frage nach dem Grund reagiert er lachend: „Das frage ich mich heute auch.“ Kurz darauf berichtet er, dass er Sportjournalist werden wollte. Ein Angebot für ein Soziologie-Studium lehnte er ab. „Also dachte ich mir, schnell eine Ausbildung“, erinnert er sich. Bei der kaufmännischen Ausbildung wurde er angenommen. Mit „That´s it!“ beendet er seine Erzählung. „Das hat richtig Bock gemacht“, sagt Peschke zum Kalkulieren von Mengen und Preisen der Fliesen und Baustoffe. So ist er auf ein Wirtschaftsstudium gekommen. Und jetzt? Jetzt arbeitet er als Leiter einer Controllingabteilung, ist also selbst zu einer Autoritätsperson geworden.
Zwischendurch erwähnt er kurz, dass er früher einmal Schulsprecher war. Waren seine Fähigkeit zu führen schon immer da? Peschke überlegt kurz: „Am Anfang wollte ich es sein, dann habe ich einen Schulsprecher kennengelernt, der eine wirkliche Führungsrolle hatte, das war so ein erstes Vorbild. Viele Jahre später habe ich ihn erneut erlebt und da hatte er sich zum totalen Idioten entwickelt.“ Nicht immer entwickeln sich Personen mit den besten Voraussetzungen zu dem, was sie vorgeben zu sein. Trotzdem hat ihn die Verantwortung immer gereizt. „Wenn ich mitmache bei etwas, dann bin ich davon abhängig, dass jemand anderes darüber nachgedacht hat.“ Also lieber etwas selbst in die Hand nehmen, diesen Lebensstil erkennt man oft in Peschkes Leben.
Strafzettel eingeplant
Marco Peschke ist zu einem Zeitpunkt geboren, als die Mauer schon lange Bestandteil des Alltags in Berlin war. Diese hat er nur als „Barriere“ kennengelernt. Bei Fahrten durch die DDR bekam die Familie immer wieder unrechtmäßige Strafzettel, welche bereits ins Urlaubsbudget eingeplant worden waren. Schikanen wie diese erlebte er häufiger, doch großartig mitgenommen habe ihn das nicht. Eher lustig sieht er dies rückblickend und lacht. Marco Peschke kann auf die Frage nach Veränderungen nicht richtig antworten. „Vieles.“ Aber was genau? So richtig klar ist ihm das nicht.
Was dachte er, würde passieren, wenn es die Mauer nicht mehr gäbe? Daraufhin muss er überlegen und realisiert, dass er nie wirklich vorausschauend gedacht hat. Immer nur im Hier und Jetzt. Die groben Details, was das Leben bringen soll, waren zwar klar, aber mehr auch nicht, erst jetzt langsam kommt das Denken an das Älterwerden.
Der Mauerfall brachte dennoch viele Vorteile, die finanzielle Lage änderte sich durch einen Grundstücksgewinn der Familie im Osten. Er überlegt, wie das heutige Leben aussehen würde, wenn die Mauer nicht gefallen wäre: „Ich hätte meine Frau nicht kennengelernt und mindestens drei Kinder weniger!“ Dabei fährt er sich mit der linken Hand einmal über seine braunen, mit der Zeit grau gewordenen Haare. Große Änderungen gab es aber nicht.
Wenn ich noch einmal die Wahl hätte …
Rückblickend sagt Peschke, dass es viele Meilensteine gab: das Abitur, die erste eigene Wohnung, eine Ausbildung, ein Studium, ein Job und, und, und…, er dennoch nicht alles erreicht hat, was er tun wollte; er schüttelt kaum merklich, dennoch bestimmt den Kopf: „Dann müsste ich mir ja ein Grab kaufen! […] Wir erfinden uns regelmäßig neu.“ Er überlegt, würde er alles noch einmal so machen? Nein und ja ist seine Antwort. „Ich bin das Resultat von dem, was mir das Leben geboten hat.“ Alle Entscheidungen, die er einmal getroffen hat, haben zu seinem jetzigen Leben geführt. Auch, wenn es manchmal nicht die Besten waren, ist das Endergebnis perfekt. „Wenn ich die Wahl noch einmal hätte, würde ich mich in der Schule besser anstrengen, hätte Medizin studiert, wäre Arzt geworden, aber nur unter der Prämisse, dass ich meine Familie genauso so habe wie jetzt“, betont der Familienvater abschließend. Irgendwie fügte sich alles und es gibt immer etwas, wofür es sich zu leben lohnt.
Alles für den Kiez!
„Ich versuchte, meinen Bezirk schon immer zu unterstützen“, merkt er noch an, während er seine Sachen zusammensucht. Er engagiert sich im Fußballverein als Trainer. Zu seiner Zeit war Neukölln bürgerlicher, dann zogen Solche, die mehr Geld verdienten, weg, und Jene, die weniger verdienen, her. Neukölln wurde als „Ghetto-Gegend“ bekannt, wie man es teilweise auch noch jetzt hört: Überall Dreck und Müll, wenige, die in Neukölln geboren sind, vielmehr Zugezogene, viele auch aus anderen Ländern, welche in Deutschland ihr Glück versuchen oder eine neue Heimat finden wollen. Heutzutage ist es wieder sehr beliebt, selbst unter Nicht-Berliner*innen. Der gebürtige Neuköllner erklärt, dass sich seine Kinder, genauso wie er, mit Neukölln verbunden fühlen sollen: Schule, Sportverein, Umfeld. Viele Bekannte und Freund*innen sind zwar weggezogen, nun verstreut, aber trotzdem sieht man sie dann wieder im Fußballverein, erzählt er belustigt. Irgendwas lässt einen immer wieder zurückkommen, und Marco Peschke ist eben ein Neuköllner durch und durch, wie man an seinen Erzählungen und dem Glanz in seinen Augen wahrnimmt, wenn er über den Berliner Bezirk redet. „Als Neuköllner muss man irgendwie doch einen Bezug finden“ und „Ich fand Neukölln schon immer hip!“.
Kritik über das Portrait, von Jara Dornbruch
Im folgenden Text beschäftige ich mich mit dem Portrait über Marco Peschke von Marlene Merbach, welche die 9.Klasse unserer Schule besucht. Hierbei geht es um die Veränderungen der Schule, die Marco Peschke wahrnimmt. Außerdem wird über seine Jahre als Teenager an der ADO berichtet und mit welchen Problemen er zu kämpfen hatte. Neben Teenager-Geschichten von der Schule werden auch Erlebnisse aus seinem Leben geteilt, die aber nichts wirklich mit der Schule zu tun hatten.
Gesamteindruck :
Das Portrait ist in angemessenem Format geschrieben worden. Die formellen Anforderungen wurden ebenfalls durch Einhaltung der Kriterien beachtet. Die Schrift hat die Punktgröße 11 und der Text wurde auf drei Seiten verteilt. Richtigerweise wurde der Text im Präsens geschrieben.
Inhaltliche Beschaffenheit:
In dem Portrait wurden etwas zu viele Storys verwendet, einige auch hätten weggelassen werden können. Viele sind interessant und gut gewählt, allerdings strengt es den Leser etwas an, wenn es zu viele kleine Storys gibt. Zu Beginn gibt es eine kurze Biografie, die einen guten Überblick über den Portraitierten gibt. Auch Daten zu seiner Persönlichkeit sind im Text dargestellt. Der Text ist für jeden gut lesbar und wenn es Begriffe gibt, für die man mehr Kontext benötigt, werden diese einem anschaulich erklärt. Es wurde nie langweilig durch die spannenden Storys und auch durch die Bilder konnte man sich Marco besser vorstellen.
Struktur und Form:
Das Portrait ist gut und strukturiert geschrieben. Durch die Zwischenüberschriften kann man den Geschehnissen besser folgen und verliert nie den roten Faden. Die Einleitung führt geschmeidig in den Text. Im Hauptteil sind die Stories in gut ausgewählter Reihenfolge geschrieben worden. Da durch die Zwischenüberschriften kein Fließtext vorhanden ist, gibt es kein richtiges Ende. Durch passend eingebaute Bilder und Ziate wird der Text spannend gestaltet, wodurch es nicht langweilig wird. Allerdings hätte man an der ein oder anderen Stelle noch ein extra Foto einbauen können.
Sprachliche Beschaffenheit:
Die Sprache, die im Text verwendet wurde, ist sehr schön gewählt worden; sehr förmlich und schön gestaltet.
Fazit:
Das Portrait ist ein gelungener und sehr schön geschriebener Text. Es ist sehr interessant zu erfahren, wie es in den neunziger Jahren an der ADO war. Durch die Verschiedenheit der ausgewählten Storys konnte man sich ein sehr gutes Bild von der potraitierten Person machen, vorallem durch die zahlreichen persönlichen Daten, die man in der Geschichte erfahren konnte.