Ein Beitrag von Sarah und Marleen
Liebe/r Leser/in,
wir haben am 15.12. 2022 mit unserer Klasse eine Exkursion zu jüdischen Orten in Berlin-Mitte unternommen. Dabei sind uns Sachen erklärt und gezeigt worden, die nicht jedem direkt ins Auge fallen, aber doch eine Geschichte in sich tragen. Diese drei Punkte haben uns am meisten fasziniert, weil uns die eher traurigen Hintergründe vorher gar nicht klar waren. Wir haben Fotos gemacht und sie mit Informationen ergänzt.
Wir hoffen, dass ihr das Thema so interessant findet wie wir!
Der Boden ist nicht gerade der Ort, wo der erste Blick hingeht, klar. Aber die Spuren der Nazizeit wurden hier in der Großen Hamburger Straße sichtbar gemacht. Genau genommen sieht man hier die Grundrisse eines jüdischen Seniorenheims. Die Zimmer, die mit Steinen nachgezeichnet wurden, sind nicht besonders groß – im Gegenteil: Man konnte gerade mal ein schmales Bett hineinstellen. Leute mit Klaustrophobie wären hier in ihren Albträumen gelandet.
Später, ab 1942 benutzte man das Altenheim als Massenlager für mehr als 50 000 Juden, die von hier aus in Konzentrationslager deportiert worden sind.
Direkt dahinter befindet sich ein Park, wie es scheint. Aber das ist ein Irrtum. Sobald man diesen ,,Park“ betritt, wird die Stimmung düster und bald sieht man auch warum: Grabsteine, die herausgerissen wurden, sind an eine Wand gelehnt, überwachsen von Efeu. Nur noch ein Grabstein steht. Es wird klar: Dies ist ein Friedhof. Ein Friedhof, der in der Nazizeit zerstört wurde. Ein jüdischer Friedhof.
Dieser Friedhof wurde 1672 errichtet. Er diente jedoch nur für 50 Jahre als Grabstätte, wegen der Bestimmung des Preußischen Allgemeinen Landrechts, welches besagte, das keine Leichen in bewohnten Stadtteilen begraben werden durften. Das führte 1827 zur Schließung des Friedhofs. 1943 wurde der Friedhof auf Befehl der Gestapo zerstört. Das benachbarte Seniorenheim wurde als Massenlager benutzt (siehe oben).
Auch diese Litfaßsäule in der Rosenstraße hat eine Geschichte zu erzählen. Wenn man genau hinsieht, sieht man das große Foto auf der Litfaßsäule. Es zeigt die damalige Säule in der Nazizeit. In der Nähe dieser Säule stand die Behörde für Wohlfahrtswesen und Jugendfürsorge der Jüdischen Gemeinde, wo Juden hingingen, die Hilfe brauchten.
Doch ab Februar 1943 diente der Ort den Nazis als Sammellager für etwa 2000 Juden aus „deutschblütig“-jüdischen „Mischehen“ und „Geltungsjuden“, die von hier aus deportiert werden sollten. Es waren hauptsächlich Männer.
Am 27. Februar 1943 versammelten sich deutsche Frauen mit ihren Kindern, deren jüdische Männer festgehalten wurden, vor dem Gebäude und riefen nach ihren Männern. Die Männer, die ihre Namen hörten, kamen dann an das Fenster. Die Polizei versuchte, die Frauen zum Schweigen zu bringen und drohte mit dem Knüppel. Die Frauen verschwanden dann für eine halbe Stunde und kamen wieder mit noch mehr Frauen. Eine Woche lang protestierten rund 600 Frauen vor dem Gebäude.
Die Gestapo sah schließlich keinen anderen Ausweg und ließ ab dem 2. März nach und nach die Männer aus „Mischehen“ sowie die sogenannten „Geltungsjuden“ wieder gehen. Insgesamt kamen fast alle der hier 2000 festgehaltenen Menschen wieder frei. Diese berühmte Aktion der Frauen der Rosenstraße ging als „Rosenstraßen-Protest“ in die Geschichte ein. Es passierte nur einmal …
Danke, dass ihr euch die Zeit genommen habt, bis hierher zu lesen. Wir hatten zuerst ein anderes Thema. Aber das hat nicht funktioniert, weil die Leute, die wir dazu brauchten, sich nicht gemeldet hatten. Und als wir dann vor Ort waren, hat uns das so fasziniert, dass wir darüber geschrieben haben.
Wenn ihr das nächste Mal in der Berliner Spandauer Vorstadt seid, dann achtet doch mal auf die Dinge, die nicht direkt ins Auge fallen. Denn dahinter könnte eine bewegende Geschichte stecken.
Sarah und Marleen