Ein Beitrag von Kaspar Niklas Schmidt und Philipp Wegner
Was ist eigentlich aus Euch geworden? Wer waren die „Gesichter“, die die ADO oder vielleicht sogar durch die ADO, geprägt worden sind? Dies fragte sich in diesem Schuljahr der Enrichmentkurs 9/10, in dem jeweils zwei Schüler*innen einen Ehemaligen interviewten und portraitierten. Es haben sich ca. 40 Ehemalige auf unsere Suchanzeigen in Zeitungen und in den Sozialen Medien gemeldet, die zwischen 1977 und 2008 an der ADO ihr Abitur gemacht hatten. Wir wollten ganz genau wissen, was für Menschen an der ADO waren. Und ob die ADO diese Menschen berührt und beeinflusst hat – oder auch nicht. Hat die ADO einen Unterschied in ihrem Leben gemacht? Aus den 23 Interviews, die der Kurs geführt hat, sind am Ende 15 Portraits entstanden. Aber lest selbst!
Die ADO – mehr als ein Lernort?
Portrait über Rodger Borowy, von Kaspar Niklas Schmidt
„Lustig, das sieht ja aus wie früher“, sagt Rodger Borowy, als er nach über 35 Jahren das Treppenhaus und den 1.Stock der Albrecht-Dürer-Oberschule sieht. „Da hat sich ja nicht so viel verändert.“ Den Computerraum in der ehemaligen Hausmeisterwohnung gab es damals noch nicht. „Ich würde fast denken, dass wir damals dort einen Aufenthaltsraum für Freistunden hatten“, antwortet er auf die Frage, was damals in diesem Raum war. In diesem Aufenthaltsraum hatte man das Gefühl, man stehe unter freiem Himmel. Die Wände waren hellblau und mit Wolken verziert. Auch der Schulhof hat sich sehr verändert. „Damals war das einfach nur ein Schotterplatz.“
Rodger Borowy, geboren 1967, ist ein freundlicher und ruhiger älterer Mann mit kurzen, grauen Haaren und einem typischen Berliner Humor „der nicht überall gut ankommt oder verstanden wird“, wie er bemerkt, der sein Abitur 1985 an der ADO absolvierte. Nach dem Abitur studierte er Nachrichtentechnik an der Fachhochschule der Deutschen Bundespost und später noch Wirtschaftsingenieurswesen an der Technischen Fachhochschule in Berlin, „um die Strukturen in einem Unternehmen kennenzulernen“. Aktuell lebt er mit seiner Frau und zwei Kindern in Ahrensburg bei Hamburg.
Frech, aber smart
Rodger Borowy war ein Schüler, der viel durch andere beeinflusst wurde und gerne zur Schule ging, auch weil man schon morgens Freunde treffen konnte. Seine Mitschüler*innen und ehemalige Lehrkräfte würden ihn wahrscheinlich als „frech, aber smart“ beschreiben. Im Unterricht machten ihm manche Sachen mehr und manche Sachen weniger Spaß. Seine Lieblingsfächer waren Musik, er spielte auch Schlagzeug in der Schulband, und Erdkunde, unter anderem auch wegen dem sehr engagiertem Lehrer: „Ich fand es auch spannend, wenn er [der Lehrer] auch Dinge über andere Länder und andere Kulturen erzählt hat“. Chemie mochte er nicht, was „absolut am Lehrer lag“ . Der Unterricht damals war größtenteils Frontalunterricht und es gab kaum Gruppenarbeiten. Auch Dalton gab es noch nicht. An der ADO gab es auch ein „Sprachlabor“. Das war ein Raum mit vielen kleinen Kabinen, in dem man die Aussprache in verschiedenen Sprachen lernen, sich beim Sprechen aufnehmen und in der Aussprache verbessern konnte. Das Verhältnis zwischen Schüler*innen und Lehrkräften war unterschiedlich. Genau wie heute gab es auch damals Referendare, also Lehrkräfte, die noch in der Ausbildung sind, „die waren halt jünger und auch ein bisschen dichter dran an den Schülern“. Gleichzeitig gab es aber auch ältere Lehrkräfte, wie zum Beispiel den Chemielehrer, wegen dem er das Fach auch nicht mochte, „die dann natürlich auch immer ihr gleiches Programm durchgezogen haben“ und „keine persönlichen Beziehungen aufbauen und ihr Fach durchpauken wollten“. Ein sogar fast freundschaftliches Verhältnis hatte er mit ein paar Lehrkräften, „,weil man sich gegenseitig unterstützt oder man eine Klassenfahrt zusammen gemacht und die Leute etwas besser kennengelernt hat“. Zu den Höhepunkten seiner Schulzeit zählten Klassenfahrten, Konzerte, Schulausflüge, Schulfeste, und, weil er in der Theatergruppe war, auch Theateraufführungen sowie ein Austausch nach Frankreich. „Es war interessant, in der Familie dort zu sein“. Die Tiefpunkte waren Prüfungen oder Klausuren, besonders wenn diese nicht so gut ausgefallen sind. Einige von den Schulfesten hat Rodger Borowy sogar selbst organisiert, da er in der 10.Klasse stellvertretender Schulsprecher war. Da es während seiner Schulzeit eigentlich keine großen Missstände gab, hat die Schülervertretung eigentlich nur Partys oder Schulfeste organisiert, z.B. eine Party mit zwei anderen Berliner Gymnasien. Außerdem hat sich die Schülervertretung für den eben schon beschriebenen Aufenthaltsraum eingesetzt, den sie dann auch selbst gestrichen und renoviert haben. Rückblickend würde Rodger Borowy sagen, dass er eine schöne Schulzeit hatte. „Das war sicher eine wichtige Zeit, die einen auch prägt und einem Erfolgserlebnisse gibt, die auch wichtig sind, dass man danach auch Lust hat, weiterzumachen“.
Anstatt ins Kino zur Demo
Aufgewachsen ist Rodger Borowy in der Gropiusstadt, die bei seiner Geburt noch relativ neu war. Trotzdem war die Gropiusstadt „schon damals eine Art Ghetto“ und es gab „Grüppchenbildung und Leute, die Stress gemacht haben und Gangs, die sich gegenseitig auf die Schnauze gehauen haben“. Wenn man in der Gropiusstadt gelebt hat, war man viel unterwegs und ist auch oft raus gegangen. Sehr gefallen hat ihm auch ein Abenteuerspielplatz in seiner Nähe, wo man einfach bauen konnte, was man wollte. Außerdem gab es noch viel mehr Geschäfte als heute in der Gropiusstadt. Wichtig für ihn war die U7, mit der auch heute noch viele Schüler*innen zur Schule kommen. Dadurch war Rodger Borowy viel im Rest von Berlin unterwegs, auch weil er, wie viele, eine BVG-Monatskarte hatte. „Wenn du ins Kino wolltest, bist du nicht nach Neukölln gefahren. Du bist gleich viel tiefer reingefahren, bis zum Ku`Damm oder woanders hin“. So hat er auch zufällig an einer Friedensdemo Anfang der 1980er teilgenommen, weil er mit Freunden am Ku`Damm ins Kino gehen wollte. Sie haben die Demonstration gesehen und sich ihr angeschlossen.
Leben mit der Mauer
Rodger Borowy wohnte ungefähr einen Kilometer von der Mauer entfernt. Für ihn endete an der Mauer das Land. Auch, wenn er in den Urlaub gefahren ist, musste er immer durch die DDR durchfahren. Das war für ihn stressig, weil er Angst vor Strafen hatte, wenn man zu schnell fuhr oder bei den Passkontrollen unfreundlich behandelt wurde. Durch die Mauer hatte Rodger Borowy eine besondere Verbindung zu der Stadt, „,weil halt alles, was in den Grenzen der Stadt war, deine Welt war“. Eingemauert hat sich er sich nicht gefühlt, weil er ja nichts anderes kannte und mit der Mauer aufgewachsen war. Einen großen Einfluss auf ihn hatte auch der Mauerfall, einem der wichtigsten Ereignisse der 1980er in Berlin und Deutschland, auch wenn er von dem erst gar nichts mitbekommen hatte. Im November 1989 schreibt Rodger Borowy sieben Tage die Woche, zuhause an seiner Diplomarbeit. Am 9. November bekam er vom Mauerfall gar nichts mit. Morgens am 10.November rief ihn ein Kommilitone an und fragte ihn, ob er auch die ganze Nacht unterwegs gewesen sei. „Und da konnte ich das gar nicht glauben und habe dann die Nachrichten im Fernsehen angemacht und hab das dann gesehen. Dann hab ich mir eine Fotokamera geschnappt und bin an verschiedene Grenzübergänge gefahren, um mir das Ganze mal anzusehen. Aber man hat nur den Moment wahrgenommen und nicht so sehr an die Zukunft gedacht, was kann da noch alles draus werden“.
Heute
Heute würde Rodger Borowy seine Kinder auf die ADO schicken, wenn er noch in Berlin Neukölln leben würde. Trotzdem würde er mit Kindern wahrscheinlich nicht in Neukölln leben wollen.„Neukölln hat sich stark verändert und ich würde schon schauen, dass ich in einem anderen Bezirk wohnen würde, wo man sich ein bisschen weniger Sorgen macht, wenn die Kinder aus der Tür kommen, dass sie nicht gleich umgefahren werden oder auf die Schnauze kriegen. Nicht weil Neukölln nicht schön ist, aber Neukölln ist halt extrem überbevölkert und das ist schon stressig“. Sich selbst würde Rodger Borowy als ehrgeizigen, leistungsorientierten und treuen (nicht nur in Hinsicht auf Beziehungen) Kopfmenschen beschreiben. Er mag außerdem bestimmte. wiederkehrende Abläufe, so startet er am Freitagabend immer mit den gleichen Aktivitäten ins Wochenende. Die ADO hat ihn auch sehr geprägt: „Ich habe gelernt, wie man lernt, was ich kann und was nicht. Außerdem habe ich gelernt, dass sich Leistung und Bemühen lohnt und gesehen wird“. Trotzdem ist er nicht durch die ADO auf seinen aktuellen Beruf oder seinen Studiengang gekommen. „Ich hab was Technisches studiert und Technik hat mich schon immer interessiert und soweit lag das nicht direkt an der Schule“.
Aber jetzt noch mal zurück zur Fragestellung im Titel. War die ADO für Rodger Borowy mehr als nur ein Lernort? Ja, für ihn war die Schule definitiv nicht nur ein Ort zum Lernen. Die Schule war für ihn ein Ort, an dem man Freundschaften geknüpft und gemeinsame Momente wie Schulfeste, Konzerte, Freistunden oder ähnliches erlebt hat. Weitere wichtige Momente, die die Antwort noch untermauern, waren der Schüleraustauch nach Frankreich und der Aufenthalt bei einer Gastfamilie dort oder eine Klassenfahrt nach England. Ein weiterer bedeutender Moment, an den sich Rodger Borowy heute noch erinnern kann, war ein Kinobesuch an einem Wandertag, bei dem sich die Klasse den Kinofilm „Batman“ im Original auf Englisch angeschaut hat.
„Die ADO – mehr als nur ein Lernort?“ Rezension von Philipp Wegner
Das Portrait über den Ehemaligen der ADO entstand im Zuge des ENR-Kurses im dritten Quartal 2023. Geschrieben wurde das Portrait von Kasper Schmidt, der zum Zeitpunkt der Entstehung in die 9 Klasse ging.
Gesamteindruck
Die Informationen und Eindrücke, die Kasper Schmidt über die Ehemaligen gesammelt hat, wurden in Form eines journalistischen Porträts verfasst. Die formellen Anforderungen sind ebenfalls eingehalten worden. Es wurden drei Seiten mit der Schriftgröße elf im Präsens geschrieben.
Inhaltliche Beschaffenheit
Der gesamte Text folgt einem strukturierten Schema. Es gibt Überschriften, Unter-Überschriften, Bildunterschriften, auch sind die Themen chronologisch geordnet. Es werden fast nur Themen angesprochen, die einen Leser interessieren könnten. Ebenso werden verschiedene Aspekte und Geschichten, die der Ehemalige in einem Interview erläutert hat, aufgegriffen, genauer erklärt und es werden Hintergrundinformationen gegeben. Ebenfalls ist der ganze Text so verfasst, dass jeder ihn verstehen kann. Es werden in regelmäßigen Abständen Zitate oder Witze eingebracht, was den Text nicht nur abwechslungsreich macht, sondern auch spannend und angenehm zu lesen.
Struktur und Form
Im Text sind eine Einleitung, ein Hauptteil und ein Schluss vorhanden. Der Text ist in verschiedene Absätze eingeteilt, die die unterschiedliche Aspekte des Ehemaligen genau beschreiben. Die verwendeten Fotos sind mit einer Bildunterschrift versehen. Der Text ist sehr strukturiert und übersichtlich.
Sprachliche Beschaffenheit
Zur sprachlichen Beschaffenheit kann man sagen, dass der Text sehr abwechslungsreich und spannend geschrieben ist, es wurden keine unbekannten Wörter verwendet, die den Lesefluss beeinträchtigen hätten können.
Fazit
Abschließend lässt sich sagen, dass der Text ein sehr gelungener journalistischer Beitrag über einen Ehemaligen ADOler ist. Wir alle wissen, wie vielseitig eine Person sein kann, wie viel man über sie herausfinden kann, wenn man sich erstmal genau mit ihr beschäftigt. Doch dieses Portrait stellt eine Person vor, die abwechslungsreicher nicht sein könnte, auch wenn dieses Portrait nur drei Seiten lang ist, kenne ich den Ehemaligen so gut, als wäre er mein Freund. Man hat nicht nur einen „Gesamtüberblick“ über den Ehemaligen bekommen, sondern auch tiefere Eindrücke, wie das Leben in der ADO in den achtziger Jahren war. Denn auch wenn in diesem Portrait nur ein Schüler vorgestellt wird, kann man sich sehr gut in die Lage von damals versetzen. Schlussendlich: ein sehr sehr gelungenes Portrait eines Ehemaligen und in Teilen auch der ADO.